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Trauriges Hundchen
Ich weiß nicht mehr viel von dem Ort, wo ich geboren bin. Es war eng und dunkel, und nie spielte ein Mensch mit uns. Ich erinnere mich noch an Mama und ihr weiches Fell, aber sie war oft krank und sehr dünn. Sie hatte nur wenig Milch für mich und meine Brüder und Schwestern. Die meisten von ihnen waren plötzlich gestorben. Als sie mich von meiner Mutter wegnahmen, hatte ich furchtbare Angst und war so traurig. Meine Milchzähne waren kaum durchgestoßen, und ich hätte meine Mama doch noch so sehr gebraucht. Arme Mama, es ging ihr so schlecht. Die Menschen sagten, dass sie jetzt endlich Geld wollten, und dass das Geschrei von meiner Schwester und mir ihnen auf die Nerven ginge. So wurden wir eines Tages in eine Kiste verladen und fortgebracht. Wir kuschelten uns aneinander und fühlten, wie wir beide zitterten, ohnmächtig vor Angst. Niemand kam, um uns zu trösten. All diese seltsamen Geräusche und erst noch die Gerüche - wir sind in einem "Petshop", einem Laden, wo es viele verschiedene Tiere gibt. Einige miauen, andere piepsen, einige pfeifen. Wir hören auch das Wimmern von anderen Welpen. Meine Schwester und ich drücken uns eng zusammen in dem kleinen Käfig. Manchmal kommen Menschen uns anschauen, oft ganz kleine Menschen, die sehr fröhlich aussehen, als wollten sie mit uns spielen. Tag um Tag verbringen wir in unserem kleinen Käfig. Manchmal packt uns jemand und hebt uns hoch, um uns zu begutachten. Einige sind freundlich und streicheln uns, andere sind grob und tun uns weh. Oft hören wir sagen "oh, sind die süß, ich will eines", aber dann gehen die Leute wieder fort. Letzte Nacht ist meine Schwester gestorben. Ich habe meinen Kopf an ihr weiches Fell gelegt und gespürt, wie das Leben aus dem dünnen Körperchen gewichen ist. Als sie sie am Morgen aus dem Käfig nehmen, sagen sie, sie sei krank gewesen, und ich sollte verbilligt abgegeben werden, damit ich bald wegkomme. Niemand beachtet mein leises Weinen, als mein kleines Schwesterchen weggeworfen wird.
Heute ist eine Familie gekommen und hat mich gekauft ! Jetzt wird alles gut! Es sind sehr nette Leute, die sich tatsächlich für MICH entschieden haben. Sie haben gutes Futter und einen schönen Napf dabei, und das kleine Mädchen trägt mich ganz zärtlich auf den Armen. Ihr Vater und die Mutter sagen, ich sei ein ganz süßes und braves Hundchen. Ich heiße jetzt Lea. Ich darf meine neue Familie sogar abschlabbern, das ist wunderbar. Sie lehren mich freundlich, was ich tun darf und was nicht, passen gut auf mich auf, geben mir herrliches Essen und viel, viel Liebe. Nichts will ich mehr, als diesen wunderbaren Menschen gefallen, und nichts ist schöner, als mit dem kleinen Mädchen herumzutollen und zu spielen.
Erster Besuch beim Tierarzt. Es war ein seltsamer Ort, mir schauderte. Ich bekam einige Spritzen. Meine beste Freundin, das kleine Mädchen, hielt mich sanft und sagte, es wäre ok, dann entspannte ich mich. Der Tierarzt schien meinen geliebten Menschen traurige Worte zu sagen, sie sahen ganz bestürzt aus. Ich hörte etwas von schweren Mängeln und von Dysplasie E und von Herz zwei. Er sprach von wilden Züchtern, und dass meine Eltern nie gesundheitlich getestet worden seien. Ich habe nichts von alledem begriffen, aber es war furchtbar, meine Familie so traurig zu sehen.
Jetzt bin ich sechs Monate alt. Meine gleichaltrigen Artgenossen sind wild und stark, aber mir tut jede Bewegung schrecklich weh. Die Schmerzen gehen nie weg. Außerdem kriege ich gleich Atemnot, wenn ich nur ein wenig mit dem kleinen Mädchen spielen will. Ich möchte so gerne ein kräftiger Hund sein, aber ich schaffe es einfach nicht. Vater und Mutter sprechen über mich. Es bricht mir das Herz, alle so traurig zu sehen.
In der Zwischenzeit war ich oft beim Tierarzt, und immer hieß es "genetisch" und "nichts zu machen". Ich möchte draußen in der warmen Sonne mit meiner Familie spielen, möchte rennen und hüpfen. Es geht nicht. Letzte Nacht war es schlimmer als eh und je. Ich konnte nicht einmal mehr aufstehen um zu trinken und nur noch schreien vor Schmerzen. Sie tragen mich ins Auto. Alle weinen. Sie sind so seltsam, was ist los ? War ich böse ? Sind sie am Ende böse auf mich ? Nein, nein, sie liebkosen mich ja so zärtlich. Ach wenn nur diese Schmerzen aufhörten ! Ich kann nicht mal die Tränen vom Gesicht des kleinen Mädchen ablecken, aber wenigstens erreiche ich seine Hand. Der Tisch beim Tierarzt ist kalt. Ich habe Angst. Die Menschen weinen in mein Fell, ich fühle, wie sehr sie mich lieben. Mit Mühe schaffe ich es, ihre Hand zu lecken.
Der Tierarzt nimmt sich heute viel Zeit und ist sehr freundlich, und ich empfinde etwas weniger Schmerzen. Das kleine Mädchen hält mich ganz sanft, ein kleiner Stich... Gottseidank, der Schmerz geht zurück. Ich fühle tiefen Frieden und Dankbarkeit. Ein Traum: Ich sehe meine Mama, meine Brüder und Schwestern auf einer großen grünen Wiese. Sie rufen mir zu, dass es dort keine Schmerzen gibt, nur Friede und Glück. So sage ich meiner Menschenfamilie Aufwiedersehen auf die einzige mir mögliche Weise: mit einem sanften Wedeln und einem kleinen Schnuffeln. Viele glückliche Jahre wollte ich mit Euch verbringen, es hat nicht sein sollen. Statt dessen habe ich Euch so viel Kummer gemacht. Es tut mir leid, ich war halt nur eine Händlerware.
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Tom und Karlie
Tom war ein 10 Jahre alter Junge. Um ehrlich zu sein, war er nicht sehr glücklich mit seinem Leben gewesen. Die Eltern scherten sich wenig um ihn, da ihnen als berufstätig oft die Zeit fehlte und sie erwarteten schon in frühsten Kindertagen viel zu viel von ihm. Tom stand immer unter enormen Druck. Am Anfang der Volksschule war Tom so nervös, weil die Eltern ihm Monate vorher eingetrichtert hatte, er müsste fleißig aufzeigen und immer alles richtig machen, dass er andauernd etwas fallen ließ, zitterte und weinte. Der Lehrerin fiel das natürlich sofort auf und sie riet den Eltern, ihn zu einem Kinderpsychologen zu bringen. Wenigstens einmal. Die Eltern waren entsetzt und für Tom regnete es Schläge. Er hatte, wie fast immer, das fürchterliche Gefühl im Bauch, die Eltern enttäuscht zu haben. Nicht das sie ihn nicht lieben würde, doch sie zeigten es ihm zu wenig - und erwarteten einen Wunderknaben wie im Bilderbuch. Das auch ein Kind Probleme und Sorgen haben konnte, verstanden sie nicht. Beim Kinderpsychologen war Tom so verstört, dass er kein Wort sagte. Der Psychologe schien trotzdem zu verstehen. Er riet, nein er ordnete schon fast an, dem Jungen ein Haustier zu kaufen. Es müsse ja kein zeitaufwendiger Hund oder eine eigensinnige Katze sein, wie wäre es denn mit einem Kaninchen oder einem Meerschwein? Erst glaubten die Eltern, nicht recht gehört zu haben. Ein schmutzmachendes, Zeit kostendes, gelverschlingendes Lebewesen, zusätzlich zu ihrem Kind? Da Toms Zustand aber mehr als schlecht war, drohte der Psychologe mit Entzug des Sorgerechts, falls die Eltern ihm kein Tier erlaubten. In der Zwischenzeit regnete es natürlich gewaltig Ohrfeigen für Tom - schließlich war er schuld an diesen Psychologenbesuchen. Hätte er sich in der Schule anständig benommen, wie sie es ihm gesagt hatten, wäre die Lehrerin nie mit einem solchen Vorschlag gekommen. Schließlich ließ der Psychologe aber nicht locker und verlangte, binnen einer Woche eine Entscheidung von Tom und den Eltern. Ohne ihren Sohn auch nur in kleinster Weise bei ihren Überlegungen um seine Meinung zu fragen, entscheiden sie sich für eine Maus. Die könnte man leicht im Park aussetzen, ohne dass jemand es merke. Als sie den Psychologen erneut besuchten, ließen sie den widerstandslosen Tom daheim und erklärten dem Psychologen, er wäre krank. Doch eine Maus ließ der kluge Mann nicht durchgehen. Zum einen schien er die Absicht, das Tier auszusetzen, durchschaut zu haben und zum anderen argumentierte er, Tom bräuchte ein Tier zum Knuddeln und Kuscheln. Er lud den kleinen Tom eines vormittags in seine Praxis ein, ohne das die Eltern etwas davon wussten. Tom musste an diesem Tag nicht in die Schule - die freundliche Lehrerin hatte es ihm gestattet. Nach langen Gesprächen konnte der Psychologe endlich aus Tom herausbekommen, was für ein Tier er wollte: ein Meerschweinchen. Zusammen mit dem Psychologen ginge er eine Woche später, in der er sich über Meerschweine in der Hoffnung informiert hatte, endlich einen Freund zu finden, in eine Tierhandlung. Der Käfig, Futter und eine hübsche Einrichtung wurde gekauft, bei Tom eingerichtet und am nächsten Tag brachte der Psychologe Tom ein winziges, wuscheliges Rosettenmeerschweinchen. Toms Eltern waren ausgesprochen wütend über diesen lästigen Vorfall. Sie widmeten sich mehr denn je ihren eigenen Dingen und brachten kaum noch Zeit für ihren Sohn auf. Der Vater wuselte stets geschäftig durchs Haus, telefonierte und überprüfte oft stundenlang seine Schnürsenkel auf Richtigkeit der Farben. Die Mutter saß in der Küche, rauchte und lackierte gleichzeitig ihre Fingernägel, während sie versuchte, irgendetwas zu kochen: Meist misslang dies und Tom musste sich mit verkohltem, übelriechenden Fraß zufriedengeben, während die Mutter mit ihren Freundinnen auswärts essen war und der Vater im Büro eine Wurtsstemmel herunterschlang. Wenn Tom von der Schule zu Hause war, umrundete er die rauchende, schmutzige Küche und warf nur einen Blick hinein, um zu sehen, ob die Mutter noch da war. Warum konnte sie ihn nicht fragen, wie es in der Schule gewesen war, während sie wie eine normale Familie einen Eintopf aßen und sich einen Kuss geben, bevor die Mutter aus dem Haus ging? Warum konnte der Vater ihn nicht umarmen, wenn er aus der Arbeit nach Hause kam und ihn "meinen kleinen Racker" nennen, Männergespräche führen und im Garten mit ihm Fußball spielen. Warum kümmerte sich niemand darum, wenn er heimlich im Bett unter der Decke las und warum wurde er nicht mit einem liebevollen Klaps, sondern mit einer gepfefferten Ohrfeige, gestraft, wenn er etwas falsch gemacht hatte? Diese Fragen stellte Tom sich immer wieder und nie fand er eine Antwort darauf. Den ganzen Nachmittag verbrachte der Junge in seinem Zimmer. Er erledigte dort seine Hausaufgaben, sah fern und beschäftigte sich mit seinem Meerschweinchen. Während er laut nachdenkend über seinen Matheaufgaben brütete oder die Hand ausschüttelte, weil sie vom Aufsatzschreiben schmerzte, rückte er seinen Schreibtisch immer näher an den Kasten heran, auf dem der kleine Käfig des ängstlichen Meerschweins stand. Für einen größeren Käfig hatte sein Taschengeld nicht gereicht, doch Tom ließ sein Schweinchen sie meiste Zeit im Zimmer oder auf seinem Bett laufen. Obwohl sich Tom eindringlich und ohne Rückschläge zu beachten mit seinem neuen Haustier beschäftigte, ließ sich das Schwein erst nach einigen Wochen berühren und dann auch noch zaghaft. Es fraß manchmal aus seiner Hand oder lief dem Jungen entgegen, wenn er bei der Tür herein kam und all dies machte Tom Hoffnung, Mut und Freude. Nach wenigen Monaten, die sehr hart für ihn gewesen waren, schien sein Leben jedoch endlich bergauf zu gehen. Durch seine intensive Meerschweinchenbetreuung litten oft die Hausaufgaben darunter und auch für Freunde hatte Tom noch kein Selbstbewusstsein. Die Eltern gingen ihm aus dem Weg und Tom hatte nichts anderes außer sein Meerschwein. Doch die freundliche Lehrerin verstand es und war sehr geduldig mit dem kleinen Jungen. Nachdem die erste, schwere Zeit für Tom bestanden war, wurde ein Mädchen krank und die Lehrerin ordnete an, dass Tom sich neben den allein gebliebenen Karl setzen sollte, der von allen Karli gerufen wurde. Tom und Karli freundeten sich an und Tom besuchte seinen neuen, besten Freund oft. Seine Familie war genau, wie Tom sich immer seine eigene gewünscht hatte. Die Mutter trug eine hübsche Steckfrisur, gab ihrem Kind und sogar Tom einen Kuss, wenn sie von der Schule heimkamen und hatte ein leckeres Mittagessen für sie vorbereitet. Manchmal kochte auch der Vater und alle halfen im Haushalt mit, doch darüber beschwerte sich Karl auch noch. Tom konnte das überhaupt nicht verstehen - gab es tatsächlich einen Menschen, der in einer Familie wie dieser unglücklich sein könnte? Wo Karli doch wie ein wertvoller Schatz behandelt wurde? Tom war unendlich neidisch und träumte davob, bei Karl zu wohnen. Weil seine Eltern ihm früh genug gute Marnieren beigebracht hatten und Tom so begeistert von Karls Eltern war, mochten auch diese den niedlichen, braven Jungen aus Karls Schule gerne. Doch irgendwann kam der Tag, an dem Karli fragte, ob er nicht einmal Tom besuchen könnte. Er wusste alles von seiner schrecklichen Familie, doch es schien ihn nicht zu stören. Als er ihre rußige, verscherbelte Küche sah, meinte er sogar anerkennend "Wow!" und erläuterte, dass seine Mutter es nie so weit kommen lassen würde. Das ganze, unordendliche Haus von Tom schien ihn zu begeistern und er war schon fast ein wenig enttäuscht, als er Tomys kleines, aber sehr sauberes Zimmer sah. Und dann entdeckte er das Schweinchen. In freudiger Erwartung war es auf Tom zugelaufen und rüttelte an den Käfiggittern, als die beiden sich näherten. "Wow, du hast ein HAUSTIER? Tom, warum hast du mir das nicht erzählt? Du kümmerst dich allein um es?", kam es anerkennend von Karl und Tom wurde rot um die Ohren - sein wunderhübsches, niedliches und kluges Meerschweinchen war das Einzige in diesem Haus, auf das er richtig stolz war. Karl nahm es gleich aus dem Käfig und es ließ sich begierig streicheln. "Wie heißt es denn?", fragte Karl, nachdem er in Babysprache dem Schweinchen etwas vorgegiggelt hatte und einen enorm belämmerten Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte. "Ähm...Karl...Karlie, genau wie du!", stotterte Tom, weil es das Erste war, was ihm einfiel. "Krass, Tommy, du nennst deine Sau nach mir? Das ist das stärkste Haustier, das ich jemals gesehen habe!Besser noch als der bissige und tollwütige Hund aus dem Wald!", staunte Karl immer noch begeistert. Von diesem Tag an nannten Tom alle seine Freunde - und es wurden ganz schön viele - nur noch Tommy. Sogar Britta, ein wunderschönes Mädchen, in welches Tom heimlich verliebt war, führte er sein geliebtes Schweinchen vor und sie war begeistert. Eine Anerkennung eines Mädchens war doch um einiges mehr wert. Tom wurde nach und nach beliebter und dadurch immer selbstbewusster, witziger und freundlicher. Er war einfach glücklich mit seinem Leben - und auch Karlie ging es super. Irgendwann jedoch endete die Volksschule und Tom musste sich von allen seinen guten Freunden trennen. Da seine Noten außerordentlich gut geworden waren, nachdem er gute Freunde bekommen hatte, Spaß hatte und vollkommen zufrieden war, brachten ihn die Eltern am ersten September in ein sehr gutes Gymnasium. Doch statt sich zu freuen wurde Tom todunglücklich - er kannte dort keinen und sein Selbstbewusstsein war geschwunden. Wieder war es für ihn wie am ersten Tag der Volksschule. Die Kinder lachten ihn aus, weil er stotterte und je mehr sie lachten, desto unsicherer wurde Tom. Zu Hause schärften seine Eltern ihm ein, er müsse ja gute Noten nach Hause bringen, sonst würden sie ihm Karlie wegnehmen und so war der Junge vor jeder Schularbeit so aufgeregt, dass er sich einfach nicht konzentrieren konnte. Er wurde in der Schule schlechter und schlechter... Niemand dort konnte ihn gut leiden. So wurde Karlie der einzige Trost, den er hatte und er war fast wieder so glücklich wie ein Jahr zuvor, als er noch Freunde und gute Noten gehabt hatte, wenn er mit dem Meerschweinchen zusammen war. Dazu kam, dass auch noch Karl nach einem halben Jahr umsiedelte und nun Tom sich so verlassen wie noch nie fühlte. Am Ende des Schuljahres, welches Tom viel zu lang gedauert hatte, zeigte er seinen Eltern beschämt das schlechte Zeugnis und wie er erwartet hatte, rasteten beide unheimlich aus. Es waren nicht die Ohrfeigen, nicht einmal die bösen Worte, die Toms Herz mit einem Schlag zerreißen ließen. Es war nur dieser eine, fürchterliche Satz, der hundertmale in seinen Ohren widerhallte. "Wir haben es dir gesagt, Tom, du willst es wohl nicht anders: Karlie kommt weg!!!" Tom bettelte und weinte, machte Versprechungen und klammerte sich an die Beine seiner Mutter, als diese noch am selben Abend die Treppen zu seinem Zimmer hochstieg. Der Vater aber schleppte ihn mit Gewalt in die Küche und schloss ihn dort ein, damit er der Mutter nicht im Weg stand. Durch das trübe Fenster an der Küchentür und einen dicken Tränenschleier verfolgte er verzweifelt wimmernd und völlig machtlos, wie der kleine Karlie wild quietschend und ängstlich zusammengekauert im Käfig auf und ab lief, der von der eisernen Hand der Mutter getragen wurde. Sie öffnete die Haustür und ließ den Käfig geräuschvoll auf die Wiese fallen. Tom hörte ein Scheppern und Klirren - die Mutter hatte wahrscheinlich mit dem Schuh ans Gitter getreten - einen panikerfüllter Qietscher und Karlie war wohl durchs Gras davongestoben. Die Mutter brachte den leeren Käfig zurück auf Toms Zimmer. Die nächsten Tage hatte er Hausarest und freute sich so gar nicht am schönen, sommerlichen Wetter. Er dachte nur an Karlie, der dort draußen verhungern würde, verdursten oder überfahren und er - Tom, dem Karlie so vertraut hatte - konnte überhaupt nichts tun. Nachdem er schweigend seine Strafe in seinem Zimmer "abgesessen" hatte, machte er sich übereifrig daran, Karlie zu suchen. Er suchte ihn ein paar Tage ohne Erfolg. Doch eines Tages sah er einen winzigen, dreifärbigen Punkt unter der gerade gestutzten Hecke aufblitzen. Tatsächlich näherte sich das Etwas zaghaft Tom, als er es mit den vertrauten Lauten rief. Die letzten Meter tapste das Tier nur noch erschöpft und blieb reglos vor Toms Knien liegen. Der Junge fasste sein liebstes Schweinchen und lief unbeobachtet hinauf auf sein Zimmer. Karlie war sehr geschwächt - er hatte wohl seit Tagen nichts gefressen und hatte eine blutige Wunde am Rücken, doch Tom wusste nicht, woher. Er war so glücklich, sein Meerschwein wieder zu haben, dass er es andauernd nur streichelte und knuddelte, darauf bedacht, ihm nicht wehzutun. Morgen früh wollte er den Tierarzt anrufen, da es heute schon zu spät war. Verzweifelt mühte sich Tom die ganze Nacht, Karlie zum Fressen zu bringen und der kleine Kerl schnappte zaghaft nach Petersilie und Gurke. Er schien fast ebenso glücklich wie Tom zu sein, denn in seinen feuchten Augen blitzte matte Freude und er quiekte leise und versonnen, wenn Tom ihn streichelte und flüsternd mit ihm sprach. Die Nacht hatte Karlie geschafft und der Tierarzt war am nächsten Morgen schon unterwegs zu Toms Haus. Er spurtete an den verblüfften Eltern vorbei in Toms Zimmer, zu welchem der Junge ihm den Weg wies und zeigte ihm das schwache Schweinchen. "Das wird schon wieder gut!", versicherte der Tierarzt und lud eine Spritze, die Karlie stärken sollte, auf. Inzwischen hatte Tom ihn auf dem Schoß und streichelte ihn zärtlich, mit Tränen des Glücks in den Augen, während das Meerschweinchen glücklich quiekte und mit glänzenden Augen zu dem Menschen hinaufsah, der es als einziger in seinem Leben jemals geliebt hatte. Und Tom sah hinunter zu dem Wesen, welches ihn jemals richtig geliebt hatte. Langsam sank der kleine Kopf von Karlie auf seine ausgestreckten Vorderpfoten, als würde es sich genüsslich zum Schlafen niederlegen, langsam erschlaffte der kleine Körper von Anstrengung müde wie zum Schlaf und die kleinen, schwarzen Knopfaugen schlossen sich, während Toms Hand seelig über den flauschigen Bauch streichelte, über die Seiten, das kleine Köpfchen knuddelte. Wonne ging von dem Tier aus, man hätte es nicht für möglich gehalten, doch es schien so glücklich, wie es da auf dem Schoß des Jungen lag. Sein Atem wurde kaum merklich langsam, verstummte, ohne das Tom Notiz davon nahm. "Nun gib mir dein Meerschwein", meinte der Arzt milde zu dem schönen Paar gewandt und Tom legte ihm den warmen, kleinen Körper in die Hände. Doch statt ihm die rettende Spritze zu geben, runzelte der Tierarzt die Stirn und sprach mit belegter, vielleicht etwas ungläubiger Stimme:"Tut mir leid, Tom, aber dein Meerschwein...es...muss gerade gestorben sein."
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Alltag
Alltag
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Grau verhangen ist der Tag. Zwischen den unzaehligen Hochhaeusern hallen ihre Schritte. Blitzartig dreht sie ihren Kopf nach hinten - folgt ihr jemand? Zuweilen klingt das Echo gespenstisch, spielt der Widerhall ihr einen Streich? Ihr ist kalt - in ihr macht sich eine beklemmende Angst breit - sie kennt dieses Gefuehl Angst zu haben eigentlich gar nicht. Warum heute - warum breitet sich dieses Gefuehl Angst zu haben sich so intensiv in ihr aus. Nun, es wird, es muss an diesem heutigen Tag liegen. Nicht nur grau ist der heutige Tag sondern auch truebe. Solche Tage stimmten sie schon von jeher unsicher und aengstlich.
Warum sind auch die Gehwege meistens nur mit grauen, harten, stupiden Steinpflaster belegt? Ganz ungewohnt - menschenleer - sie allein auf diesem endlosen Weg, wo sonst viele Menschen hasten und eilen im ewigen Kampf mit der Zeit.
Fuenf Minuten, zehn Minuten sind vergangen, sie gewoehnt sich langsam an den Widerhall der Schritte, sie gewoehnt sich an die Leere, die voellige Einsamkeit dieses Morgens, das gleichmaessige Klik-klak – klik - klak ihrer Sandalen. Ihre Gedanken kreisen - wie ein Roulett. Eigentlich doch ein herrlicher Morgen. Es scheint fast eine Ewigkeit her, wo sie die ersten Stunden eines erwachenden Tages so wahrgenommen hat. Meistens strebte sie interesselos morgens auf dem grauen Pflaster der U-Bahn entgegen, ohne den Morgen, den erwachenden Morgen zu geniessen. Alles liess sie an sich vorbei ziehen. Nicht einmal bemerkte sie das Zwitschern der Voegel, die hier und da eifrig nach Regenwuermern auf der Wiese pickten. Sie sah nur die U-Bahnlichter in der Entfernung - weiter nichts um sich - nicht die Menschen, nicht die Haeuser, nicht den erwachenden Tag. Klik - klak - klik - klak
Heute ist sie aufgewacht, heute ist es anders, im Moment laesst sie ihren Blick ueber die kleinen Vorgaerten der Hochhaeuser, die mit viel Phantasie und Liebe angelegt sind gleiten. Irgendwie verspuert sie gar eine Verzauberung in dieser fruehen Stunde. Welch Umkehrung hat sich in ihren Gedanken vollzogen, jetzt gerade in diesem Moment alles so intensiv wahrzunehmen, was um sie passiert. Alles liegt noch verschlafen, vertraeumt da. Nebelschleier haengen zwischen den Baeumen und Haeusern. Die Straeucher wirken vom Tau ueberzogen wie aus Filigran. Sie atmet die neblige Luft ein - ja, atmen, traeumen. Klik - klak - klik - klak
Die Kirchturmuhr laesst - verschwommen durch den Nebel - die Zeiger erkennen, wie in einem Geisterfilm. Waere eine gute Kulisse fuer einen englischen Krimi. Ploetzlich hoert sie das Bremsen der Raeder in der Ferne - die U-Bahn faehrt ein. Mit jedem Schritt wird das Geraeusch lauter - schriller - schon bald hat sie die Station erreicht. Klik - klak - klik - klak
Sie wartet auf dem Bahnsteig. Der naechste Zug laesst noch auf sich warten. Gleichzeitig mit dem Blick zur Uhr entdeckt sie die Gestalt eines Besoffenen. Er wankt an ihr vorbei, seine Augen irren glasig umher... er entbloesst die vergilbten, stummelhaften Zaehne - die Fahne hoch - der Versuch weiterzusingen erstickt in einem Lallen. Er schleicht um die Abfallkoerbe herum, durchstoebert sie nach etwas Trinkbarem, der Nachdurst laesst ihn wohl nicht zur Ruhe kommen. Die Hose weist nasse Flecken an bestimmten Stellen auf - ihr ist, als sei sie in einer stinkenden Blase eingeschlossen. Da, er hat eine Dose gefunden, setzt sie an den Mund, der kleine Rest laeuft an dem zerfurchten Kinn zum Hals herunter, was er mit lautem Fluchen akzeptiert.
Sie weiss um die Wirkung des Alkohols - das Zunichtemachen der Gefuehle - der Gedanken - der Befehle fuer den Koerper und Geist. Er wankt weiter zum naechsten Abfallkorb. Ein Ekel macht sich in ihr breit. Diese unzaehmbare Besessenheit zu suchen und immer wieder zu suchen, ist bemerkenswert. Infolgedessen, dass kein Erfolg beim zweiten Abfallkorb zu verbuchen war, steuert er auf sie zu, laesst sich an ihre rechte Seite auf die Bank fallen. Ein Zurueckweichen ihrerseits haelt ihn nicht ab, ihr auf noch unertraeglichere Art naeher zu kommen. Als er seinen Mund aufmacht - und versucht etwas zu sagen - zieht wieder eine Alkoholfahne an ihr vorbei. Der Geruch, den sein Koerper verbreitet, ist von einer penetranten, perversen Ekelhaftigkeit. Sie betrachtet ihn teils mit stummer Wut, teils mit Wehmut in ihrem Innern. Dieser Mensch ist eine Kreatur Gottes. Dieser Mensch findet Gefallen oder sucht Gefallen am Alkohol, dieser Mensch ist voll ausgerichtet darauf, seinen Koerper zu ruinieren, bis dass der Suff Alptraeume und weisse Maeuse in seinen zerrissenen Gedanken hervorruft oder er in das tiefe schwarze Loch faellt.
Wer wird ihn auffangen? Wer wird ihn den Weg zeigen aus dieser Misere herauszukommen, wieder Mensch zu sein - eingegliedert werden in ein normales Leben? Gibt es das noch fuer ihn? Es ist ein ferngerueckter Gedanke. Worueber denkt er nach, kann er eigentlich noch denken?
Der Wunsch aufzustehen, fortzulaufen von hier - weit fort, um dies nicht mehr mit ansehen zu muessen - nimmt von ihr Besitz. Doch der erste Versuch sich von der Bank zu erheben, scheitert, auch wenn die innere Stimme schreit fort - fort - fort von hier. Eine Hand packt sie mit festem Griff, der Besoffene nimmt ihren verstoerten fragenden Blick auf, waehrend ein Traenenstrom langsam aus seinen rotumraenderten Augen dringt. Sekundenlang - fuer sie beaengstigend haelt sie dem Blick des Besoffenen stand. Mit einem Ruck wendet er sich von ihrem Gesicht ab und starrt er gedankenverloren in die Gegend.
Und wieder kreisen ihre Gedanken, haemmert es in ihr, was bist du fuer ein Mensch - wodurch bist du so geworden, ist es ein Dauerzustand, ist es ein Ausflippen, ist es einfach die Gesellschaft, unsere Gesellschaft den Ruecken kehren. Warum aendert er den Prozess der Zerstoerung nicht und sagt - ich lebe, ich will leben, ich muss erleben.
Mit einem Mal springt er auf, torkelt weiter, sie sieht ihm nach bis er in der Menschenmenge verschwunden ist. Er hat ihr nicht in lallenden Worten gesagt - ich lebe, ich will leben, ich muss leben...
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@put und @vivi
Meine Lieben es sind sehr schöne Geschichten.
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danke gorby, ich war mir nicht ganz sicher, wo ich sie posten kann.
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ich sitze hier und heul Rotz und Wasser wie grenzenlos traurig machen mich solche Geschichten die täglich bei uns passieren
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oh, das wollte ich aber nicht karin *betroffenschau*
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Wie konntest Du nur?
Mit freundlicher Genehmigung von Jim Willis
Wie konntest Du nur?
"How Could You?" , Copyright Jim Willis 2001, tiergarten@onebox.com, Homepage
(Übersetzt aus dem Amerikanischen von Elvira Rösch & Nicole Valentin-Willis)
Als ich noch ein Welpe war, unterhielt ich Dich mit meinen Possen und brachte Dich zum Lachen. Du nanntest mich Dein Kind, und trotz einer Anzahl durchgekauter Schuhe und so manchem abgeschlachteten Sofakissen wurde ich Dein bester Freund. Immer wenn ich "böse" war, erhobst Du Deinen Finger und fragtest mich "Wie konntest Du nur?" - aber dann gabst Du nach und drehtest mich auf den Rücken, um mir den Bauch zu kraulen.
Mit meiner Stubenreinheit dauerte es ein bisschen länger als erwartet, denn Du warst furchtbar beschäftigt, aber zusammen bekamen wir das in den Griff. Ich erinnere mich an jene Nächte, in denen ich mich im Bett an Dich kuschelte und Du mir Deine Geheimnisse und Träume anvertrautest, und ich glaubte, das Leben könnte nicht schöner sein. Gemeinsam machten wir lange Spaziergänge im Park, drehten Runden mit dem Auto, holten uns Eis (ich bekam immer nur die Waffel, denn "Eiskrem ist schlecht für Hunde", sagtest Du), und ich döste stundenlang in der Sonne, während ich auf Deine abendliche Rückkehr wartete.
Allmählich fingst Du an, mehr Zeit mit Arbeit und Deiner Karriere zu verbringen - und auch damit, Dir einen menschlichen Gefährten zu suchen. Ich wartete geduldig auf Dich, tröstete Dich über Liebeskummer und Enttäuschungen hinweg, tadelte Dich niemals wegen schlechter Entscheidungen und überschlug mich vor Freude, wenn Du heimkamst und als Du Dich verliebtest.
Sie, jetzt Deine Frau, ist kein "Hundemensch" - trotzdem hieß ich sie in unserem Heim willkommen, versuchte ihr meine Zuneigung zu zeigen und gehorchte ihr. Ich war glücklich, weil Du glücklich warst. Dann kamen die Menschenbabies, und ich teilte Deine Aufregung darüber. Ich war fasziniert von ihrer rosa Haut und ihrem Geruch und wollte sie genauso bemuttern. Nur dass Du und Deine Frau Angst hattet, ich könnte ihnen wehtun, und so verbrachte ich die meiste Zeit verbannt in einem anderen Zimmer oder in meiner Hütte. Oh, wie sehr wollte auch ich sie lieben, aber ich wurde zu einem "Gefangenen der Liebe".
Als sie aber grösser waren, wurde ich ihr Freund. Sie krallten sich in meinem Fell fest, zogen sich daran hoch auf wackligen Beinchen, pieksten ihre Finger in meine Augen, inspizierten meine Ohren und gaben mir Küsse auf die Nase. Ich liebte alles an ihnen und ihre Berührung - denn Deine Berührung war jetzt so selten geworden - und ich hätte sie mit meinem Leben verteidigt, wenn es nötig gewesen wäre.
Ich kroch heimlich in ihre Betten, hörte ihren Sorgen und Träumen zu, und gemeinsam warteten wir auf das Geräusch Deines Wagens in der Auffahrt. Es gab einmal eine Zeit, da zogst Du auf die Frage, ob Du einen Hund hättest, ein Foto von mir aus der Brieftasche und erzähltest Geschichten über mich. In den letzten Jahren hast Du nur noch mit "Ja" geantwortet und das Thema gewechselt. Ich hatte mich von "Deinem Hund" in "nur einen Hund" verwandelt, und jede Ausgabe für mich wurde Dir zum Dorn im Auge.
Jetzt hast Du eine neue Berufsmöglichkeit in einer anderen Stadt, und Du und sie werdet in eine Wohnung ziehen, in der Haustiere nicht gestattet sind. Du hast die richtige Wahl für "Deine" Familie getroffen, aber es gab einmal eine Zeit, da war ich Deine einzige Familie.
Ich freute mich über die Autofahrt, bis wir am Tierheim ankamen. Es roch nach Hunden und Katzen, nach Angst, nach Hoffnungslosigkeit. Du fülltest die Formulare aus und sagtest "Ich weiss, Sie werden ein gutes Zuhause für sie finden". Mit einem Achselzucken warfen sie Dir einen gequälten Blick zu. Sie wissen, was einen Hund oder eine Katze in "mittleren" Jahren erwartet - auch mit "Stammbaum". Du musstest Deinem Sohn jeden Finger einzeln vom Halsband lösen, als er schrie "Nein, Papa, bitte! Sie dürfen mir meinen Hund nicht wegnehmen!" Und ich machte mir Sorgen um ihn und um die Lektionen, die Du ihm gerade beigebracht hattest: über Freundschaft und Loyalität, über Liebe und Verantwortung, und über Respekt vor allem Leben. Zum Abschied hast Du mir den Kopf getätschelt, meine Augen vermieden und höflich auf das Halsband und die Leine verzichtet. Du hattest einen Termin einzuhalten, und nun habe ich auch einen.
Nachdem Du fort warst, sagten die beiden netten Damen, Du hättest wahrscheinlich schon seit Monaten von dem bevorstehenden Umzug gewusst und nichts unternommen, um ein gutes Zuhause für mich zu finden. Sie schüttelten den Kopf und fragten "Wie konntest Du nur?".
Sie kümmern sich um uns hier im Tierheim so gut es eben geht. Natürlich werden wir gefüttert, aber ich habe meinen Appetit schon vor Tagen verloren. Anfangs rannte ich immer vor ans Gitter, sobald jemand an meinen Käfig kam, in der Hoffnung, das seiest Du - dass Du Deine Meinung geändert hättest - dass all dies nur ein schlimmer Traum gewesen sei... oder ich hoffte, dass es zumindest jemand wäre, der Interesse an mir hätte und mich retten könnte. Als ich einsah, dass ich nichts aufzubieten hatte gegen das vergnügte Um-Aufmerksamkeit-Heischen unbeschwerter Welpen, ahnungslos gegenüber ihrem eigenen Schicksal, zog ich mich in eine ferne Ecke zurück und wartete.
Ich hörte ihre Schritte als sie am Ende des Tages kam, um mich zu holen, und trottete hinter ihr her den Gang entlang zu einem abgelegenen Raum. Ein angenehm ruhiger Raum. Sie hob mich auf den Tisch und kraulte meine Ohren und sagte mir, es sei alles in Ordnung. Mein Herz pochte vor Aufregung, was jetzt wohl geschehen würde, aber da war auch ein Gefühl der Erleichterung. Für den Gefangenen der Liebe war die Zeit abgelaufen. Meiner Natur gemäss war ich aber eher um sie besorgt. Ihre Aufgabe lastet schwer auf ihr, und das fühlte ich, genauso wie ich jede Deiner Stimmungen erfühlen konnte.
Behutsam legte sie den Stauschlauch an meiner Vorderpfote an, während eine Träne über ihre Wange floss. Ich leckte ihre Hand, um sie zu trösten, genauso wie ich Dich vor vielen Jahren getröstet hatte. Mit geübtem Griff führte sie die Nadel in meine Vene ein. Als ich den Einstich fühlte und spürte, wie die kühle Flüssigkeit durch meinen Körper lief, wurde ich schläfrig und legte mich hin, blickte in ihre gütigen Augen und flüsterte "Wie konntest Du nur?"
Vielleicht verstand sie die Hundesprache und sagte deshalb "Es tut mir ja so leid". Sie umarmte mich und beeilte sich mir zu erklären, es sei ihre Aufgabe dafür zu sorgen, dass ich bald an einem besseren Ort wäre, wo ich weder ignoriert noch missbraucht noch ausgesetzt werden könnte oder auf mich alleine gestellt wäre - einem Ort der Liebe und des Lichts, vollkommen anders als dieser irdische Ort. Und mit meiner letzten Kraft versuchte ich ihr mit einem Klopfen meines Schwanzes zu verstehen zu geben, dass mein "Wie konntest Du nur?" nicht ihr galt. Du warst es, mein geliebtes Herrchen, an den ich dachte. Ich werde für immer an Dich denken und auf Dich warten.
Möge Dir ein jeder in Deinem Leben so viel Loyalität zeigen.
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Wer nur könnte diesen hilflosen knuffigen Geschöpfen etwas antun wer????
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