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Jack
Gast
Geht das noch lange gut?
Aus der FTD vom 8.7.2002 www.ftd.de/musikindustrie
Musikbranche testet neue Waffen gegen Piraterie
Von Helene Laube, San Francisco, und Martin Virtel, Hamburg
Im Kampf gegen die Verbreitung von Raubkopien im Internet bemüht sich die Musikindustrie, die Attraktivität von Internet-Tauschbörsen wie Kazaa oder Gnutella mit technischen und juristischen Mitteln zu schmälern. In den USA drohen Branchenkreise damit, in Zukunft Nutzer zu verklagen.
Außerdem soll das gezielte Verbreiten von fehlerhaften Kopien die Musikfreunde dazu bewegen, sich eine Original-CD zu kaufen. Die beiden neuen Strategien sind ein Eingeständnis, dass die von Umsatzrückgang gebeutelte Branche bislang kein Mittel gegen das massenhafte Raubkopieren von Musik und Videos im Internet gefunden hat. Im vergangenen Jahr sank der Erlös aus dem Verkauf von CDs weltweit um fünf Prozent. Die mit Erfolg geführten Gerichtsverfahren gegen Tauschbörsen wie Napster und Audiogalaxy haben an dieser Tendenz bislang nichts ändern können, weil sich die Nutzer bei Schließung eines Dienstes den reichlich vorhandenen Alternativangeboten zuwenden.
Kazaa, eine der beliebtesten Tauschbörsen, wurde nach Erhebungen des Beratungsunternehmens Redshift im April von durchschnittlich 1,8 Millionen Nutzern gleichzeitig besucht und genutzt. Die Musikbranche selbst kommt derweil mit dem Aufbau von eigenen Angeboten nur schleppend voran. Das zu Jahresbeginn getestete Angebot Musicnet der drei Plattenfirmen Warner Music, Bertelsmann Music Group und EMI hat die Veranstalter selbst so enttäuscht, dass sie einen neuen Anlauf nehmen wollen und daher beschlossen haben, mit einer Nachfolgeversion an den Markt zu gehen, für die es allerdings noch keinen Starttermin gibt.
"Konsumenten sollen eingeschüchtert werden"
Als Reaktion auf diese missliche Lage will die Musikbranche aber nicht nur allein gegen die Betreiber von Tauschbörsen vorgehen, sondern auch gegen die individuellen Nutzer aktiv werden, die gespeicherte Songs auf ihren Computern zum Raubkopieren anbieten. Die fünf größten Musiklabels Universal, BMG, Warner, EMI und Sony, die zusammen rund 80 Prozent des US-Musikmarktes kontrollieren, ließen schon mal über ihren Branchenverband Recording Industry Association of America (RIAA) öffentlich verkünden, dass rechtliche Schritte gegen Internetnutzer in Erwägung gezogen werden.
"Über die juristische Verfolgung von Einzelpersonen sprechen die Musikkonzerne laufend - es geht darum, die Konsumenten einzuschüchtern und von den kostenlosen Onlineangeboten zu verscheuchen", sagt Matt Bailey, Chef von Redshift. Bailey hält es für möglich, dass einige Internetnutzer ihr Verhalten ändern, wenn ihnen bewusst wird, dass sie Gefahr laufen, verklagt zu werden. Bisher sei allerdings keiner der derzeit nutzbaren Dienste für illegal erklärt worden, was die Wirkung solcher Klagedrohungen schwächt.
Tauschdienste werden unterwandert
Neben Drohgebärden mit dem Rechtsweg, so die Vermutung, setzt die Musikbranche anscheinend auch auf eine noch weniger wirksame Unterwanderung der Tauschdienste. Seit drei Monaten werden die populären Musikdienste wie Kazaa, Grokster und Gnutella mit manipulierten Dateien gefüttert. Mit den Originalen gemein haben diese Dateien meist nur den Titel, denn sie sind entweder geräuschlos oder drehen Refrain-Schleifen von 30 Sekunden Länge. Ob diese Dateien wirklich von der Musikindustrie gestreut werden, ist nicht nachweisbar. Urheber ist nach Berichten in US-Branchendiensten die Firma Overpeer, die auf ihrer Website damit wirbt, Raubkopien in Tauschbörsen den Garaus machen zu können.
"Das Einschleusen von Ködern funktioniert überhaupt nicht", sagt Redshift-Analyst Matt Bailey. Nutzer steuern mit Vorliebe diejenigen Dateien an, die von einer größeren Anzahl von Benutzern getauscht werden: "Vereinzelt lädt ein Nutzer einen solchen Köder auf seinen Computer, löscht ihn aber, sobald er ihn als solchen erkennt - das heißt, diese Dateien werden kaum getauscht."
Wie andere Experten auch glaubt Bailey, dass der Absatz der Musikbranche hauptsächlich auf Grund der Konjunkturflaute gesunken ist und wenig mit dem kostenlosen Angebot im Internet zu tun hat. Stan Liebowitz, Ökonomie-Professor an der Universität Texas, Dallas, rechnet vor, dass die Zahl der im Internet getauschten Songs eineinhalbmal so groß ist wie die der legal auf CD verkauften. Wenn Internetraubkopien ein Ersatz für die gekaufte CD wären, müsste der Umsatzeinbruch dramatisch sein, argumentiert Liebowitz.
© 2002 Financial Times Deutschland
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