«Schatz, ich muss dir etwas sagen ...» - wenn der Partner zur Beichte einer Affäre ansetzt, bricht für den Betrogenen meist eine Welt zusammen. Doch ein Seitensprung muss nicht der Anfang vom Ende der Liebe sein. Denn nicht immer bedeutet Fremdgehen, dass der Partner sich abgewendet hat, sagen Fachleute wie der Psychotherapeut Dietmar G. Luchmann aus Stuttgart.
Manchmal verbergen sich dahinter Sehnsüchte, die durchaus auch innerhalb der jetzigen Partnerschaft gestillt werden könnten, vorausgesetzt es gelingt, Schmerz und Enttäuschung zu überwinden und gemeinsam zu einer neuen Offenheit zu gelangen, so Luchmann. Kaum ein Prominenter, dessen Untreue nicht bereits medial dokumentiert wurde, und dennoch: «Treue ist in vielen Beziehungen außerordentlich wichtig», sagt der Persönlichkeitspsychologe Franz Josef Neyer aus Berlin.
Und Klaus Grunwald von der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Deutschlands in Hannover beobachtet in dieser «schnellen und übersichtlichen Welt» eine «Sehnsucht der Menschen nach verlässlichen Beziehungen».
Doch Anspruch und Wirklichkeit klaffen oft weit auseinander, vor allem wenn die anfängliche Leidenschaft schleichender Routine gewichen ist. Fremdgehen ist häufig Ausdruck einer falschen Erwartung an eine Beziehung, sagt Psychotherapeut Luchmann: «Viele Paare haben eine völlig idealisierte Vorstellung von einer Partnerschaft». Aber irgendwann nimmt auch das verliebteste Pärchen wieder seine Umwelt wahr und der Partner erscheint nicht mehr ganz so strahlend und unfehlbar wie zunächst angenommen.
An diesem Punkt sollte der Zustand der Verliebtheit eigentlich «in eine größere Intimität, im Sinne von Vertrautheit» münden, sagt Paartherapeut Luchmann. Statt sich enttäuscht vom Partner abzuwenden, sollten die jeweiligen Erwartungen offen ausgesprochen werden. Dann könne man sehen, wie groß die Gemeinsamkeiten tatsächlich sind. Auch der Theologe Grunwald sieht Kommunikation als beste Vorbeugung gegen Seitensprünge: «Beide Seiten müssen dauernd im Gespräch bleiben.»
Doch nicht immer gelingt es, den eigenen und gesellschaftlichen Ansprüchen gerecht zu werden. Für die heftigen Gefühle, die ein Seitensprung dann beim Betrogenen auslöst, machen Fachleute unter anderem die Biologie verantwortlich. «Männer nehmen den Frauen meist sexuelle Untreue besonders übel», sagt Persönlichkeitspsychologe Neyer. Schließlich sei dadurch, aus evolutionsbiologischer Sicht, auch die Urheberschaft beim erzeugten Nachkommen in Frage gestellt. Frauen hingegen kränke besonders ein «emotionaler Seitensprung», wenn also der Partner ein enges Vertrauensverhältnis zu einer anderen Frau entwickelt hat. «Das könnte daran liegen, dass die Aufzucht der Kinder dann nicht mehr gewährleistet erscheint», erklärt der Psychologe.
Welche Art von Vetrauensbruch auch immer, bei jedem Seitensprung sollte man sich bewusst machen, dass auch der Partner einmal schwach sein könne, mahnt Luchmann. Wie im Straßenverkehr könnten auch in Partnerschaften Fehler nie ausgeschlossen werden. Für Luchmann ist klar: «Es mag weh tun, aber nur wer offen über Wünsche und Verletzungen spricht, schafft es, die positiven Energien des Vertrauensbruches zu nutzen.» Auch stünden hinter der Untreue nicht selten sexuelle Wünsche, die mit dem Partner bislang nicht ausgelebt werden konnten. Wird der Seitensprung verschwiegen, verbaue man sich die Gelegenheit, dies zu ändern. Die selben Defizite der Beziehung würden unter Umständen in der neuen Partnerschaft wieder auftauchen.
Psychologe Neyer rät allerdings, sich eine Aussprache gut zu überlegen. Ein vorschnelles Geständnis füge manchen Partnerschaften mehr Schaden zu, als der Reumütige erwartet hat. Und auch der Psychologe Wolfgang Schmidbauer aus München warnt vor einer Idealisierung der Offenheit: «Alles zu gestehen, ist äußerst naiv.» Die Geständnisse hätten meist zur Folge, dass der Partner stark gekränkt und irritiert ist. Manchmal sei es besser, den Fehltritt zu verheimlichen und zu versuchen, ihn allein zu verarbeiten und zu bewältigen. «Eine einfühlsame Lüge ist oft sinnvoller als die schonungslose Wahrheit», so Schmidbauer.