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vivian69
Gast
Eine Engelsgeschichte
Zwei reisende Engel machten Halt, um die Nacht im Hause einer wohlhabenden Familie zu verbringen. Die Familie war unhöflich und verweigerte den Engeln, sich im Gästezimmer des Haupthauses auszuruhen. Anstelle dessen bekamen sie einen kleinen Platz im kalten Keller.
Als sie sich auf dem harten Boden ausstreckten, sah der ältere Engel ein Loch in
der Wand und reparierte es. Als der jüngere Engel fragte warum, antwortete der ältere Engel: Die Dinge sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen.
In der nächsten Nacht rasteten die beiden im Haus eines sehr armen, aber gastfreundlichen Bauern und seiner Frau. Nachdem sie das wenige Essen, das
sie hatten, mit ihnen geteilt hatten, ließen sie die Engel in ihrem Bett schlafen, wo sie es gut hatten.
Als die Sonne am nächsten Tag den Himmel erklomm, fanden die Engel den Bauern und seine Frau in Tränen. Ihre einzige Kuh, deren Milch ihr alleiniges Einkommen gewesen war, lag tot auf dem Feld.
Der jüngere Engel wurde wütend und fragte den älteren Engel, wie er das habe geschehen lassen können?
Der erste Mann hatte alles, trotzdem halfst du ihm, meinte er anklagend. Die zweite Familie hatte wenig, und du ließest die Kuh sterben.
Die Dinge sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen, sagte der ältere Engel.
Als wir im kalten Keller des Haupthauses ruhten, bemerkte ich, dass Gold in diesem Loch in der Wand steckte. Weil der Eigentümer so von Gier besessen war und sein glückliches Schicksal nicht teilen wollte, versiegelte ich die Wand, sodass er es nicht
finden konnte.
Als wir dann in der letzten Nacht im Bett des Bauern schliefen, kam der Engel des Todes, um seine Frau zu holen. Ich gab ihm die Kuh anstatt dessen.
Die Dinge sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen.
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vivian69
Gast
Das schönste Herz
Eines Tages stand ein junger Mann mitten in der Stadt und erklärte, dass er das schönste Herz im ganzen Tal habe. Eine große Menschenmenge versammelte sich, und sie alle bewunderten sein Herz, denn es war perfekt. Es gab keinen Fleck oder Fehler in ihm. Ja, sie alle gaben ihm recht, es war wirklich das schönste Herz, was sie je gesehen hatten. Der junge Mann war sehr stolz und prahlte lauter über sein schönes Herz.
Plötzlich tauchte ein alter Mann vor der Menge auf und sagte: Nun, dein Herz ist nicht mal annähernd so schön, wie meines. Die Menschenmenge und der junge Mann schauten das Herz des alten Mannes an. Es schlug kräftig, aber es war voller Narben, es hatte Stellen, wo Stücke entfernt und durch andere ersetzt worden waren.
Aber sie passen nicht richtig, und es gab einige ausgefranste Ecken. Genauer an einigen Stellen waren tiefe Furchen, wo ganze Teile fehlten. Die Leute starrten ihn an: Wie kann er behaupten, sein Herz sei schöner, dachten sie? Der junge Mann schaute auf des alten Mannes Herz, sah dessen Zustand und lachte: Du musst scherzen, sagte er, Dein Herz mit meinem zu vergleichen. Meines ist perfekt und deines ist ein Durcheinander aus Narben und Tränen.
Ja, sagte der alte Mann, deines sieht perfekt aus, aber ich würde niemals mit dir tauschen. Jede Narbe steht für einen Menschen, dem ich meine Liebe gegeben habe. Ich reiße ein Stück meines Herzens heraus und reiche es ihnen, und oft geben sie mir ein Stück ihres Herzens, das in die leere Stelle meines Herzens passt. Aber weil die Stücke nicht genau sind, habe ich einige raue Kanten, die ich sehr schätze, denn sie erinnern mich an die Liebe, die wir teilten. Manchmal habe ich auch ein Stück meines Herzens gegeben, ohne dass mir der andere ein Stück seines Herzens zurückgegeben hat. Das sind die leeren Furchen. Liebe geben heißt manchmal auch ein Risiko einzugehen. Auch wenn diese Furchen schmerzhaft sind, bleiben sie offen und auch sie erinnern mich an die Liebe, die ich für diese Menschen empfinde. Und ich hoffe, dass sie eines Tages zurückkehren und den Platz ausfüllen werden. Erkennst du jetzt, was wahre Schönheit ist?
Der junge Mann stand still da und Tränen rannen über seine Wangen. Er ging auf den alten Mann zu, griff nach seinem perfekten jungen und schönen Herzen und riss ein Stück heraus. Er bot es dem alten Mann mit zitternden Händen an. Der alte Mann nahm das Angebot an, setzte es in sein Herz. Er nahm dann ein Stück seines alten vernarbten Herzens und füllte damit die Wunde des jungen Mannes Herzen. Es passte nicht perfekt, da es einige ausgefranste Ränder hatte. Der junge Mann sah sein Herz an, nicht mehr perfekt, aber schöner als je zuvor, denn er spürte die Liebe des alten Mannes in sein Herz fließen. Sie umarmten sich und gingen weg, Seite an Seite.
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Karin Gentz
Gast
Weizen
Deine Freundschaft, der rettende Strohhalm, in dem ich das Weizenkorn fand. Ich hütete es wie meinen Augapfel und nährte es mit meinen Tränen.
Es keimte und ging auf. Eine Ähre wuchs mit vielen Körnern und dann ein Feld, goldgelb, kräftig, Nahrung bringend, lebensnotwendig. Aus dem daraus gewonnenen Mehl werde ich Brot backen und es mit meinen Freunden teilen.
Sie hatte in der letzten Zeit oft Brot gebacken, sehr oft, denn sie tat es immer dann, wenn es ihr schlecht ging.
Sie knetete Teig, weil es ihr gut tat. Sie knetete all ihre Wut, all ihren Kummer und ihre Hilflosigkeit in diesen Teig.
Manchmal, wenn sie wieder mal nicht schlafen konnte, stand sie sogar dafür auf, ganz leise, um ihre Familie nicht zu wecken.
Sie knetete den Teig und formte ihn zu einer Kugel, stellte ihn an einen warmen Ort und beobachtete wie er langsam aufging. Dabei ließ sie ihren Gedanken freien Lauf und wurde immer ruhiger.
Wenn sich dann später der Geruch des frischen Brotes in der Wohnung ausbreitete, konnte sie einschlafen und hatte so wenigstens einen Teil der Nacht gerettet.
Der Gedanke, so eine Lösung für ihre Probleme zu finden, kam ihr, als sie über einen ihrer Träume nachdachte, den sie selbst zu deuten versuchte.
An dem Tag, der diesem Traum vorausging, hatte sie ein Buch über Farben und Aura gelesen.
Sie war eigentlich ein realistischer Mensch, aber hin und wieder beschäftigte sie sich gern mit übersinnlichen Themen. Dieses Buch hatte sie sehr gefesselt, da war die Rede von Menschen, die eine besondere Gabe haben sollten, die Aura einer anderen Person zu sehen, farbig und aussagekräftig, die den Charakter, die Herkunft oder sogar ein früheres Leben belegen könnten.
"Das kann nicht möglich sein," dachte sie. Es erschien ihr ebenso unmöglich wie die Aussage, dass man mit der Kraft der Gedanken Farben auf die Reise schicken kann.
"Wenn du jemanden besonders gern magst, dann sende ihm mit der Kraft deiner Gedanken die Farbe "gelb".
Schicke dieser Person immer dann, wenn du an sie denkst, die Farbe "gelb". Du sendest diesem Menschen Wärme und Liebe und die Person wird sich wohl fühlen und voller Wärme an dich denken.
Der nächste Tag war weiterhin erfüllt von diesem Traum. Sie sah die Person. die ihr Freundschaft entgegenbrachte von der Farbe gelb umgeben in einem Weizenfeld stehen.
An diesem Tag backte sie ihr erstes Brot und fühlte, wie es ihr plötzlich viel leichter fiel, ihre Gedanken zu ordnen.
Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und schrieb wieder. Sie hatte so lange nicht mehr geschrieben.
Jetzt flossen die Worte wie von selbst aufs Papier.
"Deine Freundschaft, der rettende Strohhalm, in dem ich das Weizenkorn fand. Ich hütete es wie meinen Augapfel und nährte es mit meinen Tränen. Es keimte und ging auf. Eine Ähre wuchs, mit vielen Körnern und dann ein Feld - goldgelb und kräftig, Nahrung bringen, lebensnotwendig. Aus dem Mehl werde ich Brot backen und es mit meinen Freunden teilen. "
Immer wieder dachte sie an die Farbe "gelb". Sie versuchte sich vorzustellen, dass sie diese Farbe verschicken kann. Sie konzentrierte sich auf die Farbe und auf die Person, die sie mit Liebe und Wärme umgeben wollte.
Immer und immer wieder versuchte sie es und war vollkommen erfüllt von diesem Gedanken.
In der darauffolgenden Nacht träumte sie von dem Menschen, den sie mit ihren Gedanken erreichen wollte.
Er war von einem sonnigen gelben Nebel umgeben, lächelte ihr zu und kam ihr entgegen. Mit zunehmender Nähe wurde ihr immer wärmer, langsam ging auch sie auf den Menschen zu, der fast durchsichtig wirkte und streckte ihm ihre Hände entgegen. Sie konnte ihn nicht berühren, doch er sah sie voller Liebe an.
Sie wachte auf, weinend und traurig, dass dieser wunderbare Traum zu Ende war, wie gern hätte sie weitergeträumt, denn sie ahnte nicht, dass dieser Traum für sie wahr werden würde.
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