30.06.2005 -- Tages-Anzeiger Online
Deutsche Enteignungen rechtens
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Klage von Bodenreformland-Erben in der früheren DDR gegen ihre entschädigungslose Enteignung abgewiesen.

Der Gerichtshof urteilte heute in Strassburg, dass vor dem einmaligen Hintergrund der deutschen Wiedervereinigung dem Gebot entsprochen worden sei, eine gerechte Abwägung zwischen dem Schutz des Eigentums und dem allgemeinen Interesse vorzunehmen.
Die von der Bundesregierung im Jahr 1992 ausgesprochene entschädigungslose Enteignung, so die Richter, habe nicht gegen das Menschenrecht zum Schutz des Eigentums nach der europäischen Menschenrechtskonvention verstossen. 2,2 Millionen Hektar nach Kriegsende umverteilt Mit dieser Entscheidung ist ein schwieriges Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte juristisch abgeschlossen. Zwischen den Jahren 1945 und 1949 waren in der sowjetischen Besatzungszone viele Grossgrundbesitzer enteignet worden. Etwa 2,2 Millionen Hektar Land waren an über 500’000 Landarbeiter, Kleinbauern und Neubauern verteilt worden.

Die Regierung der ehemaligen DDR unter Ministerpräsident Hans Modrow hatte diese Grundstücke im März des Jahres 1990 zu vererbbarem Eigentum erklärt. Diese Entscheidung war zwei Jahre später von der Bundesregierung teils revidiert worden: Sie sollte nicht für jene Erben gelten, die nicht hauptberuflich in der Landwirtschaft tätig sind. Streitwert von mehr als einer Milliarde Euro In der Folge mussten rund 70’000 Betroffene die Grundstücke ohne Entschädigung an das jeweilige Bundesland abtreten. Dagegen war Klage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht worden. Die Kleine Kammer des Strassburger Gerichts hatte den Klägern im vergangenen Jahr noch Recht gegeben. Es geht insgesamt um rund 100'000 Hektar Land im Wert von mehr als einer Milliarde Euro. (raa/sda)