Stoffwechselreaktionen bei isokalorischer, fettproteinbetonter Kost

Einleitung

Offiziell wird von Seiten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) eine kohlenhydratbetonte, fettarme und eiweißmoderate Ernährung empfohlen. Diese Form der Nahrungszufuhr soll für die Gesunderhaltung und das maximale Leistungsniveau, unabhängig von Sportart, Belastung und Stoffwechseltyp gelten.

In wissenschaftlicher Diskussion stehen nun aber zunehmend kohlenhydratreduzierte Ernährungsformen, wie z.B. die LOGI-Pyramide, die Atkins Diät und die vor allem im Bereich Kraftsport und Bodybuilding bekannte Anabole Diät. Von besonderem Interesse solcher, teils extremen Ernährungsformen, ist dabei deren Einfluss auf die körperliche Zusammensetzung und die Prävention und Therapie des Metabolischen Syndroms.


Äußerst interessant sind dabei die veränderten Aktivitäten einzelner Hormone bei der Regelung des Nährstoffspiegels im Blut. Genau diesen Veränderungen soll im folgenden Artikel "auf den Zahn gefühlt" werden.


Umstellung auf fettproteinbetonte Kost

Die Umstellung auf eine fettproteinbetonte Kost bedeutet auch eine Umstellung der Stoffwechselreaktionen zwischen den Organen und in den Zellen. Während dieser Umstellungsphase ist es durchaus möglich, dass verschiedene Nebenwirkungen bzw. unangenehme Symptome auftreten können. Dazu gehören unter anderem Leistungseinbußen, Kopfschmerzen, Lethargie, extremer Heißhunger, acetonhaltige Atemluft oder auch Übelkeit und Verdauungsprobleme.

Die Ursache dieser Symptome ist recht einfach erklärbar: Während der Blutzuckerspiegel bei herkömmlicher Mischkost über die exogene Kohlenhydratzufuhr aus der Nahrung stabilisiert wird, reichen die Nahrungskohlenhydrate mengenmäßig, bei stark kohlenhydratreduzierter Ernährungsweise, nicht mehr aus, um den Blutzuckerspiegel verlässlich zu stabilisieren bzw. Glycogenspeicher aufzubauen. Als Gegenreaktion muss nun die Gluconeogenesaktivität hochgeregelt werden. Dabei wird aus Glycerol, glucogenen
Aminosäuren und Milchsäure in der Leber Glucose hergestellt, die anschließend der Stabilisierung des Blutzuckerspiegels dient.

Auf hormoneller Ebene äußert sich dies in einem starken Anstieg des Glucagons, infolge des Absinkens von Insulin.


Der Gluconeogenese, die nun auf recht hohem Niveau arbeitet, dienen in der Umstellungsphase unter anderem
Aminosäuren aus der Muskulatur als Substrat. Auf diesem Weg können aus 100g Aminosäuren etwa 60g Glucose gebildet werden. Angesichts dessen, dass allein das zentrale Nervensystem, die Erythrocyten oder auch Nierenzellen und Zellen der Retina, täglich bis zu 150g Glucose metabolisieren, kann es hierbei nun zu einen beachtlichen Muskelabbau kommen, welcher schließlich auch, zusammen mit der Glycogenverarmung der Muskulatur, für Leistungseinbußen verantwortlich gemacht werden kann. Problematisch wird es ebenfalls, wenn zu Gluconeogenese Aminosäuren aus Zellen des Immunsystems herangezogen werden. In diesem Fall ist zusätzlich mit einer Schwächung der Immunreaktionen und der Abwehrkräfte zu rechnen.

Nach einiger Zeit kommt es dann parallel zum Anstieg von Glucagon und Absinken von Insulin zu einer überschießenden Lipolyse und ß-Oxidation. Damit verbunden ist nun die Ketonkörperbildung in der Leber. Hierbei kann es zu Beginn durchaus zu kurzzeitigen Azidosen kommen, die sich in Form von Übelkeit und Kopfschmerzen bemerkbar machen können.


Bei stoffwechselgesunden Menschen vergehen diese Symptome aufgrund von Stoffwechselanpassungen im Normalfall. Dies kann jedoch individuell verschieden lange andauern. Während sich "fettprotein-tolerante" Menschen schon nach wenigen Tagen an die neue Stoffwechselsituation angepasst haben, kann es bei weniger toleranten Menschen durchaus mehrere Wochen andauern. Hier gilt es nun selbst abzuwägen, ob die gewählte Ernährungsweise passend für den einzelnen ist
[Absprachen mit dem jeweiligen Arzt, Ernährungsberater oder Trainer sind hier als sinnvoll zu erachten; Anmerkung Autor].

Endomorphe Stoffwechseltypen reagieren erfahrungsgemäß besser auf
fettproteinbetonte Kostformen als meso- oder ektomorphe Stoffwechseltypen. Ein wissenschaftlicher Beweis dahingehend steht allerdings noch aus.

Blutzuckerstabilisierung und Energiebereitstellung nach der Umstellungsphase

Da die Glucosebildung aus Aminosäuren der Muskulatur längerfristig einen enormen Muskelabbau zur Folge hätte und somit irgendwann lebensbedrohlich werden könnte, muss eine derartige Verstoffwechselung auf verschiedene Weisen abgefangen werden.

Zum Einen bietet sich hier die Senkung des Glucosebedarfs des Organismus an, da ein Großteil der Organe und Gewebe im Körper befähigt sind, auch Fette zur Energiebereitstellung zu metabolisieren. Lediglich Gehirn, Erythrocyten, Nierenmark und Retina müssen ihren Energiebedarf vollständig oder teilweise aus Glucose decken. Sämtlichen Organe, die in der Lage sind Fettsäuren als Energiequelle zu nutzen, werden von nun an auch größtenteils mit Fettsäuren beliefert. Dadurch steigt die Bereitstellung von Fettsäuren und Ketonkörpern, welche Acetyl-CoA als Substrat nutzen.


Durch einfache Regulationsmechanismen spart der
Körper nun selbst noch Glucose ein. Dies geschieht durch eine Hemmung des Enzyms Pyruvatdehydrogenase in der Glykolyse, durch Acetyl-CoA aus der ß-Oxidatine und einer Hemmung der Phosphofructokinase, ebenfalls in der Glykolyse, durch die Zitronensäure aus dem Citratzyklus. Die damit verminderte Glycolyseaktivität bedeutet somit einen verminderten Glucoseabbau.

Bezüglich der Bereitstellung von Aminosäuren aus der Muskulatur zur Gluconeogenese können auch Nahrungsproteine verwendet werden. Voraussetzung hierfür ist nun natürlich ein ausreichendes Angebot an Nahrungsproteinen. In der Umstellungsphase müssten somit täglich etwa 150g Protein zugeführt werden, um proteinkatabole Prozesse im Körper zu verhindern.


Nach der vollzogenen Umstellungsphase ist der Körper nun auch in der Lage effizient mit Ketonkörpern zu arbeiten und den Energiebedarf der meisten Organe über diese zu decken. Bei hoher Ketogeneseaktivität werden Ketonkörper über den Urin ausgeschieden, welche als Energieverlust und Ursache für die bei einer ketogenen Diät zu beobachtende Gewichtsreduktion gewertet wird. Zu beachten gilt es allerdings, dass dieser Energieverlust täglich jedoch nur ca. 45 bis 90 kcal ausmacht! Ebenfalls muss angemerkt werden, dass eine negative Ketose-Messung mittels Ketostix nicht bedeutet, dass keine Ketogeneseaktivität im Körper zu verzeichnen ist. Ketonkörper werden in geringem Maße auch bei Mischkost gebildet und können im Blut nachgewiesen werden.


Ist die Umstellungsphase vollständig vollzogen, wird ein Großteil des Energiebedarfs der Gewebe und Organe vorübergehend über Ketonkörper abgedeckt, nimmt nachfolgend jedoch wieder ab. Grund hierfür ist die Energiebedarfsdeckung über freie Fettsäuren. Lediglich das Gehirn benötigt weiterhin Ketonkörper, weshalb deren Synthese aufrechterhalten wird.


Hormonelle Situation

Bei fettproteinbetonter Kost sind weitgehend Parallelen zum langfristigen Hungerstoffwechsel zu ziehen. Es ergibt sich eine ungewöhnliche Stoffwechselsituation. Trotz genügend Energiezufuhr über die Nahrung bei isokalorischer Kost, überwiegen die katabolen Hormone Glucagon, Cortisol, Wachstumshormon und je nach Belastungsgefüge Adrenalin. Die Glycogenspeicher, Triglyceridspeicher und Aminosäuren werden mobilisiert.

Nur gilt es zu beachten, dass lediglich Cortisol in der Lage ist, einen Proteinabbau zur Glucosegewinnung zu begünstigen. Glucagon ist nur in der Lage Triglyceride und Glycogenspeicher zu mobilisieren und das Wachstumshormon wirkt lediglich auf die Triglyceridspeicher katabol und sogar anabol auf Muskelprotein. Da nun allerdings im Zuge der Umstellungsphase die meisten Organe effektiv mit Fettsäuren arbeiten können, ist ein Proteinabbau zur
Gluconeogenese in größerem Umfang gar nicht mehr notwendig, was zu einer verminderten Sekretion von Cortisol führt. Eine überschießend katabole Reaktion des Körpers wird somit abgefangen. Die mit der Nahrung aufgenommenen Proteine reichen zur Gluconeogeneseaktivität im Normalfall aus und können somit auch zusätzlich als Baustoff für Muskulatur dienen.

Das Wachstumshormon kann nun die Aufgabe zur Stimulierung der Proteinsynthese übernehmen und somit den Muskelerhalt oder sogar –aufbau fördern, während auch das Nahrungsprotein Insulinausschüttungen provozieren kann und somit das katabole Cortisol weiter zurückgedrängt wird. Hinzu kommt, das Wachstumshormon und Insulin die Bildung von IGF-1 fördern.


Somit ist lediglich das Fettgewebe langfristig der Wirkung der katabolen Hormone ausgesetzt. Dennoch muss ergänzt werden, dass es durch streng kohlenhydratarme Ernährung zu einem recht schnellen Absinken des Schilddrüsenhormonspiegels und zum allmählichen Absinken des IGF-1 Spiegels kommen kann. Dem kann durch eine zyklische Zufuhr von Kohlenhydraten mehr oder weniger gut entgegengewirkt werden.


Fettproteinbetonte Kostformen und sportliche Leistungsfähigkeit

Zur Vollbringung sportlicher Leistungen bei >70% VO2max und >10-20sec Dauer, ist Glucose notwendig. Bei verarmten Glycogenspeichern, wie dies bei streng kohlenhydratarmer (ketogener) Ernährung der Fall ist, sollten zumindest kurz vor der Belastung exogen Kohlenhydrate zugeführt werden, damit die Muskelzellen zumindest auf Glucose aus dem Blut zurückgreifen können. Andernfalls kann es zu starker Gluconeogeneseaktivität und/oder frühzeitigem Leistungseinbruch kommen. Beides für optimale Leistungsfähigkeit und Muskelaufbau oder –erhalt wenig wünschenswert.

Bei extensiven Belastungen tritt dieser Effekt jedoch geringer auf als bei intensiven Belastungen, da die Organe bei extensiver körperlicher Belastung von Natur aus eher über die Oxidation von Fettsäuren mit Energie versorgt werden.


Intensive Belastungen über 10 sec Dauer sind dagegen nicht in vollem Ausmaß möglich, da die Energieflussrate aus der Fettoxidation in diesem Falle nicht ausreichend ist. Leistungen wie unter Glucosegabe sind daher nicht möglich. Parallel dazu besteht die Gefahr einer Hypoglykämie, da die im Blut verfügbare aber mengenmäßig nicht ausreichende Glucose verbraucht wird. Nun kommt es zu einer stark proteinkatabolen Situation. Die Glucosebildung aus Aminosäuren wird hochgeregelt. Um einerseits die Energiebereitstellung zu sichern, andererseits eine drohende Hypoglykämie durch die Stabilisierung des Blutzuckerspiegels zu vermeiden.


Die einzige Möglichkeit, dieses Szenario zu vermeiden, liegt darin, genügend Nahrungsproteine zur Gluconeogenese zur Verfügung zu stellen, um eine gewisse Kompensation des Abbaus von Muskelstrukturen zu erreichen. Eine proteinbetonte Mahlzeit mit schnellverdaulichen Proteinen kurz vor Beginn der Leistung ist daher anzuraten.


Muskelaufbau und streng kohlenhydratarme Ernährung

Beim Muskelaufbau unter streng kohlenhydratarmer Ernährung ergeben sich, wie auch bei sämtlichen anderen Extremformen der Ernährung, wie z.B. der streng fettarmen Ernährung, einige Probleme: Der Aufbau von Muskulatur wird durch ein Zusammenspiel der Hormone Insulin, Wachstumshormon, Testosteron, Schilddrüsenhormone und anderen Wachstumsfaktoren wie z.B. IGF-1 gefördert. Das eigentliche Problem besteht nun darin, dass der Testosteronspiegel bei streng fettarmer Ernährung zu sinken droht, bei proteinarmer Ernährung der Wachstumshormonspiegel sinken kann und bei kohlenhydratarmer Ernährung der Insulin-, Schilddrüsen- und IGF-1-Spiegel sinken. Eine optimale Hormonwirkung wird so diesbezüglich durch eine proteinbetonte Mischkost in Kombination mit Kraftsport erreicht. Bei streng kohlenhydratarmer Ernährung ist eine Maximierung des Muskelmassewachstums so häufig nicht möglich, was durch empirische Daten sehr häufig auch bestätigt wird. Die trotzdem erreichten Körpermassezuwächse sind dagegen frei von Fettgewebe oder das Verhältnis Muskelmasse zu Fettgewebe steht zu Gunsten der Muskelmasse. Bei kohlenhydratreicher Ernährung dagegen sind die Muskelmassezuwächse signifikant, werden aber häufig durch deutliches Wachstum des Fettgewebes begleitet.

Einige kurze Worte zum Thema Refeed

Bei länger praktizierter kohlenhydratarmer Ernährung kommt es zur Veränderungen des Enzymhaushaltes. Dies betrifft vor allem die Enzyme der Glycogensynthese und des Glucoseabbaus in Muskel und Leber. Die Aktivität dieser Enzyme wird aufgrund der geringen Glucoseverfügbarkeit vermindert. Werden nun nach längerer Zeit streng kohlenhydratarmer Ernährung plötzlich wieder Kohlenhydrate zugeführt, können diese nicht optimal verstoffwechselt werden. Die Enzyme, die dafür notwendig wären, müssen erst wieder hochgeregelt werden. Diese Regulation wird für die Leber mit fünf Stunden, für die Muskulatur mit 24-48 Stunden angegeben. Während dieser Zeit kann im Stoffwechsel eine Situation vergleichbar der Pathogenese von Diabetes mellitus Typ-II, mit ausgelöster Insulinresistenz beobachtet werden. Dies führt zu den oft beobachteten Lethargie-, Müdigkeits- oder allgemeinen Unwohlseinserscheinungen, die von Anwendern der Anabolen Diät an "Ladetagen" berichtet wird.

Aus den oben genannten Gründen kommt es derzeit wohl eher zu einer Abkehr von Kohlenhydratausschlussernährungsformen.


Welche Strategien dennoch zur Verfügung stehen, einen möglichst fettarmen Muskelaufbau bzw. einen optimalen Fettabbau zu erreichen ohne die soeben beschriebenen negativen Begleiterscheinungen, werden in einem nachfolgenden Artikel beschrieben.


Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er für etwaige Gesundheitsschäden keine Haftung übernimmt. Die Anwendung des im Artikel aufgeführten Ernährungsprogramms erfolgt auf eigene Gefahr.




Quellenangaben:


  • Berg, J. M., Tymoczko, J. L., Stryer, L.: Biochemie. Spektrum Akademischer Verlag GmbH, Heidelberg Berlin 2003
  • Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. 1. Auflage Frankfurt: Umschau/Braus 2000b
  • DiPasquale, M.: The Metabolic Diet. AllProTraining.com Books 2000
  • Luppa, D., Albers, T.: Studienbrief Biochemie II. BSA-Private Berufsakademie, Saarbrücken 2006
  • Müller-Esterl, W.: Biochemie. Spektrum Akademischer Verlag GmbH, München 2004
  • Prinzhausen, J.: Strategien der Leistungsernährung für Sportler. Akademos Wissenschaftsverlag, 1. Auflage 2003